Vor ein paar Jahren traf ich bei einer Veranstaltung in Berlin einen Fotografen, der wunderbare analog aufgenommene Portraits präsentierte. Seine Kamera hatte er auch dabei: eine alte Yashica TLR. Ich fand Fotografie im Mittelformat ohnehin interessant, hatte bis zu diesem Zeitpunkt aber nur eine Agfa Isolette. Was Neueres musste her, sehr gerne eine TLR, aber eine mit Belichtungsmesser. Ich suchte und fand eine Yashica Mat-124 G. Über diese Kamera stolpert man im Netz ohnehin öfter, wenn man zum Beispiel nach einer Alternative zur Rolleiflex sucht. Aber ist sie auch eine gute Alternative?
Was ist eigentlich eine TLR Kamera?
TLR ist die Abkürzung für Twin Lens Reflex, eine zweiäugige Spiegelreflexkamera. Eine solche Kamera besitzt zwei Objektive. Das untere Objektiv ist mit Verschluss und Blende ausgestattet und für die Belichtung des Films zuständig. Das obere Objektiv ist in der Regel einfacher und lichtstärker. Es erzeugt durch einen feststehenden Spiegel ein aufrechtes, aber seitenverkehrtes Bild im Sucher. Die beiden Objektive sind auf einer Standarte befestigt. Dadurch werden beide beim Fokussieren gemeinsam verstellt.
Entwickelt wurde dieser Kameratyp von der Firma Franke & Heidecke, später als Rollei bekannt. Die Rolleiflex wurde 1929 vorgestellt, das Schwestermodell Rolleicord war etwas einfacher gebaut. Beide wurden zur sehr beliebten Kameras, berühmte Fotografen wie Helmut Newton machten die Rolleiflex zu einer Legende. Doch auch andere Hersteller produzierten TLR’s. Es gab hochwertige Modelle beispielsweise von Mamiya, Yashica und Zeiss, aber auch wesentlich einfachere wie die chinesische Seagull oder die russische Lubitel.
Das Unternehmen Yashica hat über 30 Jahre lang TLR Kameras produziert. Das erste Modell dieser Bauart erschien 1953, die erste Yashica-Mat bereits 1959. Der Zusatz „Mat“ unterscheidet Yashica TLR’s mit Kurbelantrieb von anderen Modellen, bei denen der Filmtransport über ein Rad an der Seite erfolgt. Die Kurbel an der Mat-124 G und ihren direkten Vorgängern macht vieles einfacher. Eine Drehung in Uhrzeigerrichtung und wieder zurück transportiert den Film und spannt den Verschluss. Das ist sehr schön gelöst.
Einige Fakten
Die Yashica Mat-124 G wurde von 1970 bis 1986 produziert und war die letzte TLR aus dem Hause Yashica. Die Verarbeitung ist sehr gut, die Bedienung ist für eine TLR sehr einfach. Sie bietet mit dem vorhandenen Zubehör und Funktionen wie automatischem Bildzählwerk, Filmtransportkurbel und gekuppeltem Belichtungsmesser sehr viel Komfort. Sie hat einen ausreichend großen Zeitenbereich von 1 bis 1/500 Sekunde. Der Sucher ist relativ hell, jedenfalls bei sauberem Spiegel. Das Yashinon 3.5/80 ist ein Objektiv mit vier Linsen in drei Gruppen (Tessar-Typ) und sorgt für eine recht gute Bildqualität. Es reagiert jedoch empfindlich auf Streulicht, weshalb ich die Verwendung einer Gegenlichtblende auf jeden Fall empfehle.
Außer dem 120er Rollfilm kann auch der längere 220er benutzt werden – für 24 Aufnahmen. Den gibt es aber nicht mehr so oft zu kaufen und er ist außerdem teurer als zwei 120er.
Einige technische Daten der Yashica Mat-124 G
Aufnahmeformat | Mittelformat (6×6) |
Sucher | Lichtschachtsucher mit einklappbarer Lupe und Sportsucher |
Objektiv (Kamera) | Yashinon 3.5/80 |
Objektiv (Sucher) | Yashinon 2.8/80 |
Filtergewinde | Rollei-Bajonett Serie I |
Entfernungsbereich | 1m bis ∞ |
Belichtungsmessung | CdS Belichtungsmesser (gekuppelt) |
Filmempfindlichkeitsbereich | ISO 25 bis 400 |
Verschluss | Zentralverschluss Copal-SV |
Verschlusszeiten | 1 bis 1/500 s, Bulb |
Blitzsynchronisation | X und M |
Batterie | 1 Quecksilber-Knopfzelle PX 625 |
Abmessungen (B x H x T) | 77 x 148 x 101 mm |
Gewicht | 1100 Gramm |
Batterien für die Yashica Mat-124 G
Der Belichtungsmesser benötigt die nicht mehr erhältliche PX625 Quecksilberoxid-Zelle mit 1,35 Volt. Es gibt durchaus Kameras, die unempfindlich gegen eine minimal höhere Spannung sind. Leider gehört die Mat-124 G nicht dazu. Die Verwendung von Batterien mit 1,5V ist nur möglich, wenn die Kamera in einer Fachwerkstatt umjustiert wurde. Ohne Umjustierung gibt es nur zwei Alternativen: eine WeinCell oder ein MR-9 Adapter zur Nutzung aktueller Batterien. Bei diesem Adaptern ist jedoch Vorsicht geboten. Es werden unter dieser Bezeichnung Adapter angeboten, die die Spannung herunterregeln. Sie lassen sich dann mit normalen 1,55 Volt SR-43 Batterien verwenden. Solche Adapter lassen sich gut bei eBay finden.
Andere tun das nicht, sie passen lediglich die Größe an. In der Regel habe diese Adapter ein Loch in der Mitte und werden mit Hörgeräte-Batterien mit 1,4 V befüllt (Beispiel). Daher unbedingt die Artikelbeschreibung lesen. Da es sich bei Hörgeräte-Batterien oft um Zink-Luft-Batterien mit geringerer Lebensdauer handelt, empfehle ich die erste Variante. Mehr zum Thema Batterien für analoge Kameras habe ich hier geschrieben.
Wie fotografiert es sich mit einer Yashica Mat-124 G?
Der große und helle Lichtschachtsucher einer TLR unterscheidet sich sehr von dem, was man sonst von einer SLR gewöhnt ist. Man kann das Motiv mit beiden Augen betrachten, was ich insgesamt als sehr angenehm empfinde. Auch wenn die Yashica Mat-124 G außer der Mattscheibe keine weiteren Einstellhilfen zum Fokussieren bietet, klappt das Scharfstellen recht gut. Zur Not hilft die einklappbare Lupe. Man kann die Mattscheiben jedoch auch wechseln und zum Beispiel eine mit Schnittbildindikator einbauen. Ich habe mir für meine Mat-124 G zwar mal vorsorglich eine solche Mattscheibe besorgt, sie aber nie eingebaut. Das Scharfstellen funktioniert tatsächlich auch ohne Hilfen sehr gut.
Sehr gewöhnungsbedürftig ist dagegen das Festlegen des Bildausschnittes, denn das im Sucher angezeigte Bild ist seitenverkehrt. Daran muss man sich tatsächlich erstmal gewöhnen. Die Yashica Mat-124 G verfügt übrigens auch über einen Sportrahmensucher. Gerade bei Portraits ist es nicht vorteilhaft, wenn man nur aus der „Bauchperspektive“ fotografiert.
Neben dem spiegelverkehrten Sucherbild ist auch das Halten der Kamera im Vergleich zur SLR gewöhnungsbedürftig. Das hat jedoch nichts mit der Mat-124 G speziell zu tun, sondern ist einfach eine Besonderheit dieser Bauform. Es lohnt sich definitiv, nicht zu schnell aufzugeben, denn ab diesem Punkt merkt man schnell, welche Vorteile diese Kamera zu bieten hat. Die Bedienung macht nämlich richtig viel Spaß. Die Einstellräder für Blende und Belichtungszeit sind recht groß und gut erreichbar. Die eingestellten Werte werden zwar nicht im Sucher angezeigt, dafür jedoch in einem kleinen Fenster oben am Sucherobjektiv. Auch der Belichtungsmesser ist nicht im Sucher ablesbar, sondern direkt vor dem Sucher von oben an der Kamera. So bleibt das Sucherbild frei von „Ablenkungen“ und man kann sich rein auf das Fokussieren und den Bildausschnitt konzentrieren. Dennoch sind alle Werte ohne Absetzen der Kamera gut ablesbar.
Das muss man auch nicht für den Filmtransport und das Spannen der Verschlusses tun, denn beides klappt wunderbar durch Vor- und Zurückdrehen der Kurbel. Die Bedienung der Yashica Mat-124 G funktioniert auf diese Art sehr flüssig nebenbei … man kann sich voll auf sein Motiv konzentrieren. So macht mir das Fotografieren richtig viel Spaß! Eine Bedienungsanleitung lässt sich übrigens hier finden.
Wichtiges Zubehör
Für die Yashica Mat-124 G gibt es ein kleines aber gutes Zubehör-Sortiment, das sich abgesehen von der Bereitschaftstasche hauptsächlich auf die Objektive konzentriert. Glücklicherweise hat sich Yashica auch hier an der Rolleiflex orientiert und verwendet das Rollei-Bajonett Serie I. Dadurch lassen sich Rolleiflex-Zubehöre auch an der Yashica verwenden.
Ich habe oben schon geschrieben, dass das Aufnahme-Objektiv sehr empfindlich auf direktes Sonnenlicht reagiert. Eine Gegenlichtblende sollte vor allem an sonnigen Tagen immer dabei sein. Da die Yashica Mat-124 G nicht über Wechselobjektive verfügt, gibt es Vorsatzlinsen, die jeweils auf beide Objektive aufgesteckt werden müssen. Natürlich sind die Möglichkeiten bei TLR‘ Kameras baubedingt begrenzt, da eine zu große Vorsatzlinse vor dem Hauptobjektiv irgendwann das Sucherobjektiv beeinträchtigt. Doch mit dem verfügbaren Sortiment lässt sich schon etwas anfangen. Es gibt Vorsatzlinsen für Tele und Weitwinkel. Da die Naheinstellgrenze des verbauten Objektivs bei einem Meter liegt, machen Close Up Linsen für Naheinstellungen durchaus Sinn. Es gibt sogar zwei Sets: no. 1 für den Bereich 44-66 cm und no. 2 für 36-45cm.
Worauf beim Kauf achten?
Die Yashica Mat-124 G leidet zunächst an ganz typischen Altererscheinungen. Die Lichtdichtungen halten auch bei Ihr nicht ewig. Dabei muss beachtet werden, dass sie nicht nur Dichtungen an der Klappe besitzt. Zwischen dem Lichtschachtsucher und dem Belichtungsmesser sitzt ebenfalls eine Dichtung. Da sich der Sucher einfach demontieren lässt, kann diese Dichtung ebenfalls problemlos gewechselt werden.
Wenn der Lichtschachtsucher mal ab ist, kann man auch gleich den Spiegel reinigen. Bei meiner Kamera hatte sich einiges an Staub angesammelt, aber das ist relativ normal. Staub setzt sich auch gerne auf der Sucherlinse innen und zwischen Fresnellinse und Mattscheibe ab. Da sich die Yashica Mat-124 G aber wunderbar demontieren lässt, ist die Reinigung kein Problem.
Ein weiteres Problem: der Selbstauslöser. Im Blitzmodus M ist der Selbstauslöser eigentlich mechanisch gesperrt. Bei fehlendem Feingefühl kann es trotzdem passieren, dass jemand den Selbstauslöser dann unbedingt benutzen möchte. Das führt jedoch zu nicht einfach zu reparierenden Schäden am Verschluss. Daher beim Kauf unbedingt darauf achten, dass Verschluss und Selbstauslöser (natürlich nur im X-Modus) funktionieren.
Fazit zur Yashica Mat-124 G
Obwohl der Höhepunkt der zweiäugigen Spiegelreflexkameras schon seit den 60ern vorbei war, hatte Yashica mit dieser Kamera einen großen Erfolg. Und den hat diese Kamera auch verdient! Sie orientiert sich sehr stark an den Rolleiflex Modellen, ist aber definitiv nicht einfach nur eine Kopie. Die Erfahrung von Yashica im Bau von TLR-Kameras und die permanente Weiterentwicklung sind deutlich zu spüren. So kann die Mat-124 G trotz des einfacheren Objektives meiner Meinung nach qualitativ mithalten. Natürlich ist für SLR-Fotografen die Umstellung erstmal schwierig, dennoch hat die TLR auch ihre Vorteile wie zum Beispiel den großen Sucher und den fehlenden Spiegelschlag. Wer sich für die Mat-124 G entscheidet, erhält eine recht moderne und gut bedienbare TLR, die nicht nur für Einsteiger interessant ist. Zwar gibt es auch preiswertere TLRs, das Preis-Leistungs-Verhältnis der Yashica Mat-124 G ist jedoch unübertroffen.
Meine Yashica wird eher selten genutzt, was aber nicht an der Kamera selbst liegt. Ich habe nur mit der Zeit für mich entdeckt, dass ich das quadratische Format in einigen Aufnahmesituationen sehr mag, in vielen jedoch weniger. In solchen Fällen ziehe ich 4,5×6 vor. Die Yashica Mat-124 G wird von mir oft und gerne für Portraits verwendet. Ansonsten fotografiere ich im Mittelformat öfter mit der Zeiss Ikon Super Ikonta 531. Sie ist auch deutlich kompakter als die Yashica. Trotzdem empfehle ich die Yashica gerne! Meine persönliche Formatpräferenz ist ja kein objektives Argument gegen diese Kamera.
Frank Vogler (Autor)
Vor ein paar Jahren habe ich die analoge Fotografie in Schwarz-Weiß für mich entdeckt und mich dabei neu in Fotografie verliebt. Ich würde mich freuen, andere zu unterstützen und vielleicht auch etwas zu inspirieren. Mehr lesen …