Über die Faszination alter Friedhöfe

Alte Friedhöfe: schwarz-weiß Foto eines Engels, aufgenommen auf dem Südwestkirchhof Stansdorf

Alte Friedhöfe können sehr unterschiedliche Emotionen hervorrufen. Man kann sie als bedrohlich ansehen, weil sie für das unvermeidliche Ende eines jeden Menschen stehen. Man kann sie als sehr strengen Ort auffassen, an dem man sich benehmen muss … bloß nicht lachen! Kurzum als einen Ort, den man nur aufsucht, wenn man wirklich muss. Besonders alte Friedhöfe sehe ich jedoch ganz anders. Garteningenieure haben Landschaften und Sichtachsen ähnlich wie Parks gestaltet. Wer es sich leisten konnte, hat Bildhauer und teils sogar Architekten beauftragt, regelrechte Kunstwerke zur Erinnerung zu schaffen. Das macht alte Friedhöfe zu mehr als zu einfachen Begräbnisstätten. Und sicher nicht nur für mich auch zu geschätzten Fotomotiven.

Alte Friedhöfe: schwarz-weiß Foto eines Adlers, aufgenommen auf dem Südwestkirchhof Stansdorf

Ich gehe sehr gerne auf alten Friedhöfen spazieren und mache dabei Fotos. Ein wunderschöner Friedhof ist gleich in der Nähe. Wenn ich eine neue Kamera testen möchte, fahre ich in der Regel dorthin. Dann ist der Film nicht verschwendet, denn ich finde wegen der Größe dieses Friedhofes immer neue Motive. Ein riesiges Freilichtmuseum im Wald, das täglich Besucher anlockt.

Warum sich das Fotografieren auf alten Friedhöfen lohnt

Was macht alte Friedhöfe eigentlich zu so schönen Fotomotiven? Aus meiner Sicht eine ganze Reihe von Faktoren:

  • Auf der einen Seite definitiv Architektur und Kunst mit einer Vielzahl unterschiedlicher Stile. Gerade auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf treffen Barock, Gotik, Klassizismus und Expressionismus aufeinander. Riesige Familiengäber wechseln sich mit kunstvoll gestalteten Grabsteinen ab. Daher gibt es immer etwas Neues zu entdecken.
  • Natürlich spielt Geschichte eine sehr vielfältige Rolle. Einerseits die Geschichten, die Grabsteine über die Verstorbenen erzählen. Besonders eindrucksvoll wird das durch Moos auf Steinen oder von Pflanzen überwucherte Grabstellen.
  • Natürlich spielt auch die Natur eine große Rolle. Diese Verbindung von Natur und Kunst ist gerade auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf sehr eindrucksvoll.

All das macht alte Friedhöfe zu wunderbaren Orten zum Spazieren und natürlich auch zum Fotografieren. Alte und verwitterte Bauten und Kunstwerke, hinter denen jedoch immer auch Namen und Geschichten stehen … ich mag das sehr! Und wenn ich dabei die vielen anderen Spaziergänger mit und ohne Kamera sehe, bin ich damit wohl nicht alleine. Ich möchte gerne drei Friedhöfe vorstellen, die es mir besonders angetan haben.

Auf dem Stadtgottesacker in Halle

Der Stadtgottesacker wurde in der zweiten Hälfte des 16 .Jahrhunderts nach italienischem Vorbild errichtet. Er ist nicht sehr groß, besitzt einen viereckigen Grundriss und ist von einer festungsartigen Mauer umgeben. An dieser Mauer befinden sich im Inneren durchnummerierte Arkaden, in denen sich ursprünglich Grüfte befanden. Der durch die Mauer umschlossene Hof wurde erst im 19. Jahrhundert für Bestattungen genutzt.

Alte Friedhöfe: ein schwarz-weiß Foto vom Stadtgottesacker in Halle

Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und weiterem Verfall zu DDR-Zeiten wurde der Friedhof mit seinen Gruftbögen weitgehend rekonstruiert. In diesem Zustand gilt er zu Recht als einer der schönsten Friedhöfe Deutschlands. Ich kann einen Besuch dort auf jeden Fall empfehlen. Weitere Informationen gibt es auf der Website des Vereins „Bauhütte Stadtgottesacker“.

Der Melaten-Friedhof in Köln

Der Kölner Melaten-Friedhof ist definitiv eine Empfehlung wert. Ich war beruflich recht häufig in Köln und öfter dort. Mit diesem alten Friedhof werden oft die dort beerdigten Prominenten verbunden, aber das ist noch lange nicht alles. Interessant ist die sehr wechselvolle Geschichte, die im 12. Jahrhundert mit dem Hof Melaten für Leprakranke anfängt. Im 18. Jahrhundert wurde es richtig spannend. Eine Räuberbande kam auf die prinzipiell gute Idee, dass man dort sehr sicher leben würde. Eine folgende Untersuchung kam zu dem Schluss, dass dort mehr Gesunde als Leprakranke leben würden. Daher wurde 1765 auf dem Gelände ein Zucht- und Arbeitshaus eingerichtet. Die Besetzung Kölns durch die Franzosen ab 1794 und ein Kaiserliches Dekret über die Begräbnisse von 1804 führten letztendlich zur Einrichtung des heutigen Melaten-Friedhofs. Eine Führung über den Friedhof empfehle ich wärmstens. Dann gibt es noch Geschichten über die nahegelegene Hinrichtungsstätte, Hexenverbrennungen … sehr spannend!

Schwarz-weiß Foto eines Grabmales auf dem Melaten-Friedhof in Köln

Aber auch ohne Führung ist dieser alte Friedhof sehr schön. Es gibt sehr aufwendig gestaltete Gräber, die viele Fotomotive bieten. Man kann aber auch einfach nur spazieren gehen, die Ruhe auf dem sehr schön bepflanzten Gelände und die in vielen unterschiedlichen Kunststilen gestalteten Skulpturen und Bauwerke genießen. Mehr Informationen zu Melaten-Friedhof gibt es hier.

Der Südwestkirchhof Stahnsdorf

Der Südwestkirchhof Stahnsdorf ist mein Favorit und ganz anders. Zunächst mal ist er riesig. Mit seinen etwa 206 Hektar ist er der zweitgrößte Friedhof Deutschlands, international gesehen liegt er auf Platz 10. Auch wenn er im eher beschaulichen Stahnsdorf liegt, ist dies ursprünglich ein Berliner Friedhof. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde durch den starken Bevölkerungsanstieg der innerstädtische Platz knapp, weshalb drei Großfriedhöfe außerhalb der Stadt geplant wurden. Einer wurde nie realisiert, der Ostfriedhof Ahrensfelde wurde nie wie geplant genutzt, der dritte Friedhof ist der Südwestkirchhof in Stahnsdorf.

Foto eines Brunnens auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf

Doch nicht nur die Größe oder die parkartige Landschaft machen diesen alten Friedhof so interessant. Auf der einen Seite ist dieser Friedhof unglaublich vielfältig. Von schlichten Gräbern bis zu großen Anlagen wohlhabender Familien ist alles vertreten. Sehr viele Gräber sind aufwendig gestaltet. Die Liste der Bildhauer und Architekten, die Grabmale in sehr unterschiedlichen Stilrichtungen gestaltet haben, ist sehr lang. Wie auch die Liste der Prominenten, die noch heute dort bestattet werden. Dazu kommen ein deutscher, ein britischer und ein italienischer Soldatenfriedhof aus dem Ersten Weltkrieg.

Schwarz-weiß Foto eines Soldatenfriedhofes auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf

Und da ist noch etwas, dass ich interessant finde: den Verfall. Nach der Teilung Deutschlands war es West-Berlinern nur noch mit einem Passierschein möglich, den Friedhof zu besuchen. Die früher bestehende direkte S-Bahnverbindung war unterbrochen, der Friedhof verfiel zusehends. Noch heute gibt es völlig verwilderte Bereiche mit zugewachsenen Wegen und vereinzelt aus dem Unterholz herausragenden Grabsteinen. Abgesehen von den äußerst akkurat gepflegten Soldatenfriedhöfen wurde auch in den heute noch genutzten Bereichen nicht gnadenlos aufgeräumt. Als Resultat davon kann man im Frühjahr eine Unmenge von Rhododendren blühen sehen.

Foto von Grabsteinen in einem verwilderten Abschnitt des Südwestkirchhofes Stahnsdorf

Ein sehr interessantes Fotomotiv, das auch zu diesem Friedhof gehört, befindet sich etwas nördlich am Mauerweg. Die alte S-Bahnlinie zwischen dem Südwestkirchhof Stahnsdorf und dem Bahnhof Wannsee ist längst abgebaut, entlang der ehemaligen Trasse sind jedoch noch Reste wie Brücken und Bahnsteige zu sehen. Doch am Mauerweg existieren etwas versteckt im Wald tatsächlich noch einige Meter der alten Gleise. Eine tolle Location für Shootings!

Schwarz-weiß Foto von Gleisen der alten Friedhofsbahn

Weitere Informationen zu diesem alten Friedhof gibt es auf der Website des Fördervereins Südwestkirchhof Stahnsdorf.

Weitere Fotos von Friedhöfen gibt es übrigens hier in einer Galerie.

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