Ist es schwierig, gute analoge Kameras für Anfänger zu finden? Ich habe erst kürzlich eine Umfrage in einer Facebook-Gruppe gesehen, in der genau danach gefragt wurde. Das Ergebnis war ziemlich konfus. Aber das ist okay, denn es gibt eben nicht die EINE Kamera. Wer analog fotografiert, kauft Kameras auch nicht immer aus rationalen Gründen. Jeder hat seine Präferenzen, seine Lieblinge … auch ich. Daher fallen Kamera-Empfehlungen für Einsteiger auch immer unterschiedlich aus. Aber woran soll man sich als Anfänger halten?
Eine kleine Orientierung für Einsteiger
Die wichtigste Frage ist: Was und wie möchte man denn überhaupt fotografieren? Hier gibt es definitiv unterschiedliche Fraktionen. Die eine Gruppe möchte über analoge Fotografie an sich gar nicht so viel nachdenken, sondern einfach anfangen. Point-and-Shoot Kameras erlebten mit dem Hype um die Lomo einen wahren Boom. Das ist keine schlechte Kamera … die Lomo LC-A habe ich auch schon für mich ausprobiert. Doch sie ist nicht die einzige analoge Kamera dieser Art. Point-and-Shoot Kameras gibt es in Unmengen zu kaufen. Zum Ausprobieren und gelegentlichem Knipsen reichen die alle aus.
Ein Vertreter einer ganz anderen Gruppe ist mir erst kürzlich in einem Forum virtuell über den Weg gelaufen. Da steht die Technik definitiv im Vordergrund. Er wollte unbedingt eine Hasselblad … wahrscheinlich eher als deutlich sichtbare Begleitung beim Spazieren oder beim Besuch in einem Café. Die Fotografie ist an sich scheint dann eher zweitrangig zu sein. Ich habe für Technikfaszination definitiv Verständnis. Meine Zeiss Ikon Super Ikonta 531 ist eine Schönheit, doch ich habe sie auch aus rationalen Gründen gekauft und benutzte sie. Doch in dieser Kategorie von Einsteigern spielen persönliche Präferenzen eine wesentliche Rolle. Wie könnte man da eine Empfehlung für Kameras geben?
Und dann ist da eine dritte Gruppe, die nicht nur fotografieren, sondern Fotografie auch verstehen möchte. Eine gute analoge Kamera für Einsteiger sollte hier einfach zu bedienen sein, aber große Flexibilität zum Beispiel durch Wechselobjektive erlauben. Eine solche Kamera ist sehr gut geeignet, um die unterschiedlichsten Aufnahmesituationen und Motive auszuprobieren. Und vor allem ist sie perfekt geeignet, um analoge Fotografie zu verstehen.
Grundlegende Kriterien meine Empfehlungen
Ich konzentriere mich bei meinen Empfehlungen auf diese dritte Gruppe, die tatsächlich bewusst analog fotografieren möchte. Eine Kamera sollte eine einfach genug sein, um nicht vom eigentlichen Fotografieren abzulenken, sehr intuitiv bedienbar sein, aber grundlegende Einflussmöglichkeiten auf die wesentlichen Faktoren wie Blende, Belichtungszeit, Empfindlichkeit und Fokus bieten. Auch wenn ich zeitweise sehr gerne nur mit einem 50er Normalobjektiv unterwegs bin, sind auswechselbare Objektive generell unverzichtbar. Für Einsteiger halte ich noch weitere Kriterien für sehr sinnvoll:
- Verfügbarkeit der Kamera zu angemessenen Preisen
- Gutes Sortiment an Objektiven
- Robustheit
- Keine nennenswerten Kinderkrankheiten
- Keine exotischen Batterien
Ich habe drei Empfehlungen für Einsteiger ausgesucht, die allerdings eher beispielhaft für unterschiedliche Kategorien von Kameras stehen.
Praktica Super TL 1000 / MTL 5B / MTL 50 – Manuelle analoge Kameras für Einsteiger
Ich fange mal mit ganz einfachen analogen Kameras an: den Prakticas. Mein erster Kauf war tatsächlich eine Praktica Super TL 1000. An ihr ist eigentlich nicht viel besonders, aber sie erfüllt alle oben genannten Kriterien perfekt. Prakticas sind nahezu unverwüstlich. Daher ist es wenig wahrscheinlich, ein defektes Exemplar zu erwischen. Sie ist einfach zu bedienen und hat bereits einen Belichtungsmesser. Als Batterie möchte die Super TL 1000 eigentlich eine Batterie mit 1,35V, die heute nicht mehr erhältlich ist. Allerdings verträgt sie auch 1,5V ohne Probleme. Man braucht dann nur einen Adapter hinsichtlich der Größe. Bei späteren Modellen wie der MTL 5B oder der MTL 50 entfällt das Batterieproblem komplett.
Ein wichtiger Vorteil der Prakticas sind die erhältlichen Objektive. Diese werden mit einem M42-Gewinde montiert. Die Objektivauswahl ist bei diesem Gewinde sehr groß. Ein Highlight ist definitiv das Zeiss Tessar 2.8/50, das als Standard bei der Export-Version der Super TL 1000 montiert war. Diese Export-Version ist heute noch gut erhältlich. Die Kamera ähnelt der normalen Super TL 1000, auf dem Objektiv fehlt jedoch der Markenname „Carl Zeiss“ und statt „Tessar“ steht dort nur ein „T“. Es ist aber auch möglich, Tessare zu den genannten Kameras separat zu kaufen. Mit dieser Kombination erhalten Anfänger eine sehr gute analoge Kameras für den Einstieg.
Contax 139 / 137 MD / RTS: Halbautomaten für Anfänger
Jetzt wird es sehr persönlich! In dieser mittleren Kategorie könnten auch Canon, Nikons, Olympus oder Pentax stehen, aber mit denen kenne ich mich nicht sehr gut aus. Ich kam vor Jahren eher zufällig an eine von Yashica produzierte halbautomatische Contax 137 MD, die noch heute meine Favoritin ist. Diese Kamera und ihre nahen Verwandten 139 und Contax RTS halte ich aber auch aus anderen Gründen für sehr gute analoge Kameras für Anfänger.
Zunächst mal sind sie sehr durchdachte, einfach zu bedienende und robuste Kameras, wenn auch nicht ganz so robust wie die Praktica. Sie sind recht preiswert zu bekommen, auch wenn die Preise in den letzten Jahren gestiegen sind. Das liegt in der Regel an ihrem Aussehen. Aus irgendeinem Grund hat Yashica keine haltbare Belederung hinbekommen. Die meisten Exemplare sehen daher etwas heruntergekommen aus. Eine neue Belederung ist jedoch gut zu bekommen und wertet die Kamera definitiv auf.
Ein wichtiger Pluspunkt sind die erhältlichen Objektive für das verwendete C/Y-Bajonett. Es gibt eine sehr große Bandbreite, die bei billigen Anbietern wie Tokina anfängt und bis zu den teuren Zeiss Objektiven geht. Die interessantesten Objektive kommen aus der ML-Reihe von Yashica. Sie sind qualitativ mit den Zeiss Modellen vergleichbar, kosten aber nur einen Bruchteil. All diese Vorteile machen diese Kameras nicht nur für Anfänger so empfehlenswert.
Canon EOS – Mit diesen analogen Kameras gelingt Canon Nutzern der Einstieg garantiert
Auch in dieser Kategorie spielt meine persönliche Preferenz eine Rolle. Ich benutze auch digital eine Canon. Da gute Objektive in der Regel nicht gerade günstig sind, ist es ein großer Vorteil, wenn man sie sowohl analog als auch digital nutzen kann. Gleiches gilt so beispielsweise auch für Nikon, da das F-Bajonett dort über noch viel längere Zeit beibehalten wurde. Aber wie schon geschrieben … ich bin Canon Nutzer und kenne mich dort besser aus. In meinem Fall lag es dadurch nahe, mir auch eine professionelle analoge EOS zuzulegen, um meine EF-Objektive an beiden Kameras nutzen zu können.
Die EOS 3 oder Varianten der EOS 1 sind heute noch gut zu bekommen. Sie fühlen sich fast wie digitale Kameras an, bieten darüber hinaus jedoch Überraschungen. Wie zum Beispiel Eye Control. Das richtige Messfeld aussuchen, indem man es ansieht … hört sich heute nach einem unglaublichen Feature an. Canon hat das Feature erst kürzlich wieder in der Canon R-Reihe wiederbelebt.
Aber auch die weniger professionellen Modelle der analogen EOS-Reihe sind für den Einstieg gut geeignet. Sie sind preiswert, in großer Menge verfügbar und recht robust. Gerade die späteren analogen Modelle machen in der Bedienung kaum einen Unterschied zu ihren digitalen Nachfahren. Wer also wie ich Canon Nutzer ist, findet sich prinzipiell schnell zurecht. Auch das Angebot an Objektiven ist riesig, so dass für jedes Budget etwas dabei ist. Für Anfänger sind analoge EOS Kameras daher sehr gut geeignet. Eine gute Übersicht über die verschiedenen Modelle gibt zum Beispiel Wikipedia.
Analoge Kameras für Anfänger – Ein Fazit
Wer analog fotografiert, wird bei Fragen nach Kameras schnell mal emotional. Sie waren im Zeitalter der analogen Fotografie eben noch etwas anderes als heute … eben nicht nur schwarze „seelenlose“ Kästen. Da geht es weniger um technische Daten als um sehr persönliche Gefühle. Wenn also jemand ganz andere Sachen empfiehlt, ist das für mich absolut in Ordnung. Dies hier sind ja auch meine Empfehlungen.
Für Anfänger ist es natürlich nicht einfach, dauernd unterschiedliche Listen mit Empfehlungen zu finden. Wer bereits digital fotografiert und eine Herstellerpräferenz hat, kann sich nach analogen Kameras des gleichen Herstellers umschauen. Dann fällt die Umgewöhnung leichter. Denn das Wichtigste ist, überhaupt mal mit der analogen Fotografie zu beginnen. Später legt man sich ohnehin zweite und dritte Kamera zu. Für all jene, die ganz neu einsteigen, geben diese Empfehlungen vielleicht ein paar Anregungen. Ein paar Tipps für den Kauf einer analogen Kamera gibt es hier.
Frank Vogler (Autor)
Vor ein paar Jahren habe ich die analoge Fotografie in Schwarz-Weiß für mich entdeckt und mich dabei neu in Fotografie verliebt. Ich würde mich freuen, andere zu unterstützen und vielleicht auch etwas zu inspirieren. Mehr lesen …